1. Regenwasser

Das Regenwasserkonzept beim ecovillage baut auf dem zur Weltausstellung EXPO 2000 für den gesamten Kronsberg entwickelten Umgang mit Regenwasser auf. Dort wurde im weltweiten Vergleich einzigartig demonstriert, wie trotz der mit einer Bebauung zwangsläufig verbundenen Versiegelung von Flächen aus dem Gebiet und trotz des sehr wenig durchlässigen Bodens im Kronsberg nachher nicht mehr Waser abfließt als vorher - ein effektiver Hochwasserschutz! Das Kronsberg-System ist unter dem Namen „Mulden-Rigolen-System“ und das Konzept als „Schwammstadt“ („Sponge-City“) inzwischen ein Standard in der internationalen Fachwelt.
Sämtliche Dächer werden begrünt (auch unter den Solarstromanlagen), damit möglichst viel Wasser verdunstet. Dadurch wird das Kleinklima für die Bewohner:innen verbessert.
(Foto: Zinco.de)

Was bei einem Starkregen nicht auf den Dächern zurückgehalten werden kann, fließt nicht in eine Regenwasserkanalisation, sondern wird auf Versickerungsmulden in den Grünflächen des Quartiers geleitet.

Unter diesen Mulden entlang der Wege und Straßen wird das Regenwasser in Rigolen (ca. 1 m tiefe Sand- und Kieskörper) zwischengespeichert und versickert; nur bei besonders starkem Regen fließt ein kleiner Teil ab.
Die Wege im Quartier werden so wenig wie möglich versiegelt, damit das Regenwasser gut versickern kann.
Vergleich unterschiedlicher Regenwasser-Systeme
Fahre mit der Maus über die Prozentzahlen um die Angaben in Liter pro m² Fläche und Jahr zu sehen.
2. Trinkwassereinsparung durch Grauwassernutzung

Bei anderen Ökohäusern wird Regenwasser für die Toilettenspülung und für das Wäschewaschen genutzt. Da wir das Regenwasser zur Verbesserung des Kleinklimas verdunsten und zur Grundwasseranreicherung versickern, bleibt keine relevante Menge für die Nutzung übrig. Daher wird im ganzen Gebiet ein mit aufbereitetem „Grauwasser Grauwasser Grauwasser ist fäkalienfreies, gering verschmutztes Abwasser aus Bädern oder Waschmaschinen und dient durch Aufbereitung einer Zweitnutzung als Betriebswasser.“ gespeistes Betriebswassernetz mindestens für die Toilettenspülung und Bewässerung von Grünflächen verlegt. Der Anschluss der Waschmaschinen wird empfohlen und hierfür wird an den Waschmaschinenstandplätzen eine Anschlussmöglichkeit geschaffen. Die Aufbereitung von Grauwasser erfolgt über quartiersinterne Pflanzenkläranlagen. Durch Wassersparmaßnahmen und die Grauwassernutzung wird der Trinkwasserverbrauch im ecovillage-Quartier um über 50 % gegenüber dem Bundesdurchschnitt gesenkt!
Mengenmäßig ist es ausreichend, nur das „leichte Grauwasser“ aus den Haushalten einzusammeln und aufzubereiten. Mit einer zweiten Leitung wird das wenig verschmutzte Wasser aus Küchen und Bädern getrennt gesammelt und der Pflanzenkläranlage zugeführt.
Die Pflanzenkläranlage wird viermal täglich für ca. 10 Minuten mit Grauwasser überstaut sein, den Rest der Zeit fungiert das Beet, welches durchaus abwechslungsreich mit Sumpfpflanzen besetzt werden kann, weiterhin als wertvolles Landschaftselement, dass die Vielfalt an Lebensräumen im Quartier erhöht. Die Pflege des Bewuchses erfolgt einmal jährlich in einer Gemeinschaftsaktion durch eine Gruppe von Bewohner:innen.
(Foto: Weidenbeet auf einer Pflanzenkläranlage des Stadtteilbauernhof Sahlkamp in Hannover)
3. Schmutzwasser

Ein abwasserloses Quartier?
Am 23.11.2019 beschloss die ecovillage-Mitgliederversammlung: „Es wird geprüft, ob das Quartier in Zusammenarbeit mit der Stadtentwässerung Hannover als Modellprojekt „Abwasserloses Stadtquartier“ entwickelt werden kann.“ und in einer Anlage zum Grundstückskaufvertrag heißt es: „Angestrebt werden weitgehend in sich geschlossene Stoffkreisläufe, zum Teil mit Komposttoiletten und Wärme- und Nährstoffrückgewinnung aus dem Abwasser.“
Eine umfangreiche Studie hat jedoch ergeben, dass es unter den konkreten Bedingungen des Wohnquartiers Kronsberg mit dort schon vorhandenen Trinkwasserleitungen und Schmutzwasserkanälen nicht sinnvoll ist, ein komplett autarkes Quartier zu schaffen.

Auf Grundlage obiger Studie ist daher jetzt das folgende Ressourcen-orientierte Schmutzwassersystem geplant:
1) Demo- und Versuchselemente im „Modulpilotgebäude“
Im „Modulpiloten Modulpilot Unser erstes Gebäude
Mehr dazu hier -> Link“, einem ersten experimentellen Gebäude mit ca. 170 m² Nutzfläche, werden verschiedene Komponenten (inkl. Spül- Spültrenntoilette Toilettenvarianten, bei der Urin und Kot innerhalb der Toilettenschüssel getrennt erfasst werden und im Gegensatz zur Trocken-Trenn-Toilette wird hier mit Wasser gespült. und Trockentrenntoiletten Trocken-Trenn-Toilette Toilettenvarianten, die ohne eine Wasserspülung auskommen, dabei werden Urin und Kot innerhalb der Toilettenschüssel getrennt erfasst.) für ein “Null-Abwasser-Gebäude zero liquid discharge Konzept einer Schmutzwasserbehandlung, bei dem die Anlage kein Abwasser in Oberflächengewässer entlädt und Schadstoffe dabei effektiv ausschleust. Dazu erzielt ein ZLD-Verfahren i.d.R. auch eine effektive Wiederverwendung von Wasser, was zur Einsparung von Süß- und Trinkwasser beiträgt.” erprobt. Eine Genehmigung zur Versickerung von aufbereitetem Grauwasser sowie Verwertungswegen für Gelbwasser vorausgesetzt, könnte dieses Gebäude ohne den Anschluss an die Schmutzwasserkanalisation auskommen.
2) Einsatz von Komposttoiletten
Für die ca. 50 mobilen Tinyhäuser werden den privaten Eigentümer:innen Komposttoiletten empfohlen. Im Geschosswohnungsbau werden jedoch im ecovillage standardmäßig keine Trockentrenntoiletten, sondern Spültoiletten mit getrennten Schmutzwasserleitungen installiert.
3) Urinseparation und -aufbereitung
Im Urin ist der Großteil der vom Menschen ausgeschiedenen Nährstoffe enthalten. (>50 % des Phosphors und Kaliums, ca. 90 % des Stickstoffs). Dabei macht es nur ca. 1 % des im Haushalt anfallenden Schmutzwasser aus. Die im Urin enthaltenen Nährstoffe kommen über unsere Lebensmittel aus dem Boden. Dies legt den Gedanken nahe, den Urin als Recyclingdünger zurück in die Landwirtschaft zu bringen, statt die fossilen Ressourcen über die zentrale Kläranlage in die Klärschlammverbrennung, in die Atmosphäre und über die Leine in die Nordsee zu transportieren.
Leider sind im Urin aber auch ca. 90 % der Spurenstoffe (u.a. Arzneimittelrückstände, Hormone und Süßstoffe) enthalten, sodass eine aufwändige Aufbereitung mit Aktivkohlefilter und Hygienisierung notwendig ist, ehe man einen auf 10 Vol.‑% eingedampften Urindünger vermarkten kann.
(Foto: mobile Urinaufbereitungsanlage der Schweizer Firma VunaNexus für Event-Locations)

Da allerdings zum derzeitigen Zeitpunkt die Vermarktung von urinhaltigem Recyclingdünger in Deutschland verboten ist, wurde schrittweise vorgegangen:
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Um langfristig eine Urindüngeraufbereitung möglich zu machen, wurden alle Häuser mit getrennten Urinabflussleitungen geplant und ausgeführt, die an handelsübliche Spültrenntoiletten und Urinale angeschlossen werden können.
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Für die Übernahme von mit diesem Ansatz entstehenden höheren Investitionskosten sowie für die Erprobung von Wertschöpfungsketten wurden im Rahmen des Innovationsprojektes P2Green Fördermittel der Europäischen Kommission akquiriert (Horizon Europe Förderaufruf “Clean environment and zero pollution”, siehe CORDIS Portal).
Auf dieser Grundlage wird am Kronsberg das mutmaßlich weltweit größte „Urinodukt Urinodukt Leitungssystem zur Sammlung von Urin bzw. von Gelbwasser“ entstehen, das heißt das größte Gelbwasser Gelbwasser Getrennt gesammeltes mensches Urin vermischt mit Spülwasser aus einer Spültrenntoilette-Leitungsnetz der Welt. Bis zu 500 Liter Gelbwasser von den ca. 350 Bewohner:innen der ersten beiden Bauabschnitte sowie von unserem Kooperationspartner Goldeimer auf Festivals gesammelter Urin sollen dann anhand der modernen Technologie von VunaNexus täglich zu ca. 50 Liter Recyclingdünger aufbereitet werden.
Die hier dargestellte Urindüngerflasche (Handelsname Aurin®) ist bisher nur in der Schweiz, Liechtenstein und Österreich als Recyclingdünger zum Verkauf zugelassen. Das ecovillage hannover dient als Reallabor, um zu erproben, ob dieses Produkt auch in Deutschland sinnvoll eingesetzt werden kann.
(Foto: Vuna.ch)


4) Ein Modellprojekt für Feststoffrecycling aus Spültrenntoiletten
Die Sammlung und Hygienisierung von Feststoffen aus Spültrenntoiletten ist ein bisher kaum erschlossenes Gebiet. Alle Komponenten stehen bereit, sind bis dato aber noch nicht erfolgreich zu einem praktikablen und kostendeckenden Gesamtkonzept vereint worden. Daher ist ein ergänzender Teil des EU-Innovationsprogramms, ein Modellprojekt für das Recycling der Feststoffe aus Spültrenntoiletten (15 Pers. im Baustellen-Sanitärcontainer, 7 Pers. im Modulpilotgebäude) zu realisieren.
Die Entwässerung des Braunwassers Braunwasser Bezeichnet in der Siedlungswasserwirtschaft den Teil des Abwassers, der nur Fäzes, Spülwasser und Toilettenpapier enthält wird vor Ort erfolgen. Das entwässerte Material (zuzüglich der Rückstände aus den Komposttoiletten Trocken-Trenn-Toilette Toilettenvarianten, die ohne eine Wasserspülung auskommen, dabei werden Urin und Kot innerhalb der Toilettenschüssel getrennt erfasst. der Tinyhäuser) wird während der Projektphase, bzw. bis es eine regionale Lösung gibt, zur Hygienisierung und Kompostierung zu einer vom Projektpartner Goldeimer gGmbH betriebene Verwertungsanlage im Landkreis Harburg transportiert. Dort sollen beide Recyclingdünger in Feldversuchen erprobt werden.
Das ecovillage hannover ist damit ein wichtiger Akteur der Sanitärwende Sanitärwende Zum Einen der Zugang zu Sanitärversorgung als Menschenrecht, zum Anderen die Transformation von bestehenden Sanitärsystemen hin zu nachhaltigen Infrastrukturen, die eine zirkuläre Wertschöpfung aus sanitären Stoffströmen berücksichtigen. sowie der Agrarwende Agrarwende Vor dem Hintergrund von Klimawandel, Boden- und Wasserknappheit müssen Flächen-, Nährstoff- und Wasserverbrauch reduziert werden. Um das zu erreichen, muss die Landwirtschaft ihre Produktionsweisen anpassen..
Zwei aufbauende Sonderthemen:

Experimentierlabor „Smart Living Lab“
Der zukunftsweisende soziale Wohnungsbau im ecovillage eröffnet die Chance, neuartige Praxiserfahrungen von Bewohner:innen mit dem Umgang mit Frisch- und Schmutzwasser zu sammeln. Dies bezieht sich sowohl auf technische als auch auf soziale Aspekte.
In diesem Zusammenhang wird angestrebt, einen für alle Altersschichten offenen Bildungs- und Experimentierraum für Themen der Nährstoff- und Ernährungswende zu schaffen. Als Räumlichkeit sind 65 m² in prominenter Lage im Haus C4 am Dorfplatz vorgesehen, in dem die Urinaufbereitungsanlage seinen öffentlichkeitswirksamen Aufstellungsort finden wird.

Hydroponische Versuchs- und Demonstrationsanlage
Geplant ist ein ganzjährig betriebenes ca. 25 m² großes Gewächshaus aus Recyclingmaterial Upcycling Beim Upcycling (englisch up ‘nach oben’ und recycling ‘Wiederverwertung’) werden Abfallprodukte oder (scheinbar) nutzlose Stoffe in höherwertige Produkte umgewandelt oder umgenutzt, in dem auf kleiner Fläche intensive, teilweise vertikale, Anbaumethoden erprobt werden. Die in Behältern oder mineralischen Substraten ausgepflanzten Zier- und Nutzpflanzen erhalten ihre Nährstoffe über eine Wasserlösung (Hydroponik Hydroponik Nicht boden-basierter Anbau von Pflanzen. Verschiedene mineralische Substrate können als Keim- und/oder Wurzelraum dienen. Die Wurzeln ernähren die Pflanze aus in einer flüssigen Nährstofflösung.). Geplant ist auch ein Kreislaufsystem, bei dem Fische als Nahrung gezüchtet werden und das nährstoffreiche Schmutzwasser aus den Fischbecken den Pflanzen als Dünger dient (Aquaponik Aquaponik Aquaponik ist die Kombination aus Hydroponik (Pflanzenanbau ohne Erde) und Aquakultur (Fischzucht).
Beides findet innerhalb eines Wasserkreislaufs statt: Die Ausscheidungen der Fische werden für die Düngung der Pflanzen genutzt, die Pflanzen reinigen das Wasser für die Fische.). In der Anlage sollen außerdem Versuche mit Recyclingdünger aus der oben beschriebenen Urinaufbereitungsanlage durchgeführt werden (Anthroponik Anthroponik Eine Kombination aus Hydroponik und Aquaponik, bei dem menschliche Ausscheidungen, insbesondere Urin als Nährstoffquelle für Kulturpflanzen verwendet wird.). Da solch eine Anlage jedoch heute noch nicht wirtschaftlich betrieben werden kann, werden zur Realisierung weitere Fördermittel und Engagierte gesucht.
Zusammengefasst handelt es sich also um eine Kombination aus einem Bürger:innen-Forschungsprojekt und intensivem Garten- und Zierpflanzenbau. Das Gewächshaus soll als Bürgerforschungslabor mit Nachbarschaftsbeteiligung innerhalb des Vereins Dorfleben ecovillage eV betrieben werden. Als Teil des ecovillage-Gesamtprojektes soll gezeigt werden, wie Abwässer aus dem Quartier zur Produktion hochwertiger Nahrungsmittel eingesetzt werden können. Das Gewächshaus soll räumlich als Bindeglied zwischen intensiver Fassadenbegrünung, dem oben beschriebenen Experimentierraum und dem direkt angrenzenden Nachbarschaftsgarten ein übergreifendes Ökosystem des „Urban Gardening Urban Gardening Privates oder gemeinschaftliches nachhaltiges sowie umweltbewusstes Gärtnern auf kleinen und/oder vernachlässigten Flächen der Stadt.“ im verdichteten Stadtraum vervollständigen.