Ende September haben sich 10 ecovilliger:innen in 2 Fahrgruppen zusammengefunden und eine Besichtigung bei Sieben Linden durchgeführt - ein Exkursionsbericht von Francis Bee.
3 Genoss:innen hatten aus der AG Stoffkreisläufe einen Arbeitsauftrag mit 10 Fragen aufgestellt.
Bettina Keller, selbst Mitbewohnerin in Sieben Linden, führte uns über das Gelände und stand uns Frage und Antwort. Vor allem interessant waren Fragen rund um die Bau- / Materialien der Häuser, Dämmung und Energiegewinnung, sowie Gärtnern.
Wir erfuhren auch von Anfangsproblemen mit den Nachbarn, die in der dünnbesiedelten Gegend weit entfernt vom Gelände von Sieben Linden wohnen. Aber ohne Fleiß kein Preis und so konnten sich die Bewohner:innen auch in den Dörfern ringsherum einen ebenbürtigen Platz neben den Alteingesessenen erobern.
Erste Verzückung kam auf, als wir gemeinsam vom Parkplatz zum Gemeinschaftshaus gingen, nicht ohne zu erwähnen, dass es Trocken-Toiletten gibt.
Eine Herausforderung von Fans der Wasserspülung und ein Fest für die Anhänger von „Plumps-Klos“. Aber so schlimm es sich anhört, ist es nicht und gestunken hat es auch nicht.
Sieben Linden hat eine Replik oder Vorläufer des Modells „TTC Keramik“ der Fa. Holzapfel aus Erfurt. Es handelt sich dabei um ein Beton-Keramik-Guss Modell, wofür der begnadete Haushandwerker Fred selbst die Formen hergestellt hatte. Ein Experiment wie uns gesagt wurde, welches einmalig und nicht wiederholbar ist.
Die Häuser in Sieben Linden haben keine Keller, sondern Gruben. Unter die Rohre müssen Sammelbehälter geschoben werden, die, wenn sie voll sind, per Hand aus der Grube gehoben werden müssen. Um das zu verhindern, müsste ein durchgehendes Becken aus Beton gegossen und der Inhalt von den Außenseiten her abgesaugt werden. Das ist nicht so kompliziert und nicht teurer. Urin wird weder zwischengelagert oder gesammelt, sondern direkt in die Grauwasser-Kläranlage eingeleitet. Nachteil: es könnte vor allem im Sommer riechen.
Regelmäßig werden Proben vom Gesundheitsamt im Labor nach Schadstoffen überprüft. Für die Genehmigung musste für den Einbau und die Nutzung ein schlüssiges Konzept vorgelegt werden.
Einziges Problem könnte die falsche „Handhabung“ mit den Trockentrenntoiletten der Gäste-Module und öffentlich bereitgestellte Toiletten (Café usw.) darstellen. Eine gute Vorab-Schulung in der Benutzung, ist die beste Grundlage. Einstreu ist nur gegen Fliegen gut, vertreibt aber keinen lästigen Geruch. Es wird mit EM gearbeitet.
Doch wie tief können im Mehr-Modul-Geschossbau die Fallrohre sein? Weit weg bedeutet keinen Geruch - doch tiefe Bohrungen durch Stein und Lehm (Kronsberg) ist teuer. Teurer als normale Toiletten mit Abwasserleitungen in die Kanalisation?
Das Wasser, welches aus der Kläranlage stammt, wird nicht für Nahrungspflanzen verwendet, sondern landet im Wald und versickert auf dem Gelände. Für den Gemüse und Obstanbau wird ausschließlich das Wasser aus einem eigenen Brunnen genutzt.
Angesammelter Klo-Kompost wird zudem nur für den Kompost von Grünschnitt und Pflanzenreste aus der Küche vermengt. Daraus kann im Jahresrhythmus guter Humus entstehen.
Es wurden div. Materialien für Haus und Teile erwähnt – fast alles Biologisch. Fast, denn die Dämmfolien sind halt Folien und die Rohre sind auch aus Plastik. Alumaterial wurde ebenfalls verbaut. Als Bau-Untergrund für die Böden wurde ein Kalkgemisch verwendet. Holz zur Grundkonstruktion des Hauses. Die Wände bestehen aus Stroh-Lehm-Platten in Steinziegelform und zur Dämmung wurde gepresstes Stroh (lange Strohstengel sind besonders geeignet) verwendet. Lehmwände regulieren das Raumklima und bieten Schutz nach außen.
Keramik wurde für die Toilettenschüsseln eingesetzt und ist haltbar, wie Pflegeleicht. Das Material eignet sich auch für Waschbecken und Dusch-/Badewannen.
Beim Bau entsteht Verpackungsmüll und die Recycling-Quote liegt bei 50% … das angestrebte Ziel von 100% Rest-/Baumüll-Vermeidung bzw. Recycling wurde nicht erreicht.
Grünbedachungen waren kein Thema und keine Notwendigkeit, da Grauwasser durch den landwirtschaftlichen Gartenanbau und vorhandener eigener Grauwasser-Kläranlage und Baum- u. Waldanpflanzungen genügend Maßnahmen ergriffen worden sind. Die vorhandenen Grünflächen sowie der Nutz- und Schutzwald binden genügend CO² und erzeugen zudem Sauerstoff.
Zwei bis drei Dächer hatten eine Dachbegrünung, die Masse der Dächer sind jedoch mit Ton-Dachziegeln gedeckt.
Das Thema Wärmegewinnung mit Photovoltaik-Technik wurde ebenfalls gründlich angerissen. Es war zuerst verwirrend, weil so gut wie keine Anlagen sichtbar waren.
Die Häuser sind in erster Linie nach Süden ausgerichtet, Fensterfronten gibt es nur dort, und viele Häuser haben auf der Nordseite nur sehr kleine Fenster oder gar keine. Es wird aber auch mit Holz Wärme erzeugt und 10 Wohneinheiten (WE) kommen mit 5 Schubkarren an Holz pro Jahr aus. Das entspricht einer ½ Schubkarre pro Person/WE. Das Holz stammt aus einem eigenen Fichtenwald in der Nähe. Im Auge des Klimawandels ist diese Quelle jedoch endlich.
Für die Wärme und auch für die Stromerzeugung im Haus, reicht das alles vollkommen aus. Die Dämmung und die Verbauung von Lehm-Stroh-Ziegel halten die Wärme und zusätzlich regulieren sie das Raumklima.
Nicht sichtbar: der riesige Solar-Thermie-Speicher unter dem Haupthaus. Überschüssige Energie wird ins öffentliche Netz gespeist.
Es gibt W-Lan und TV-Anschlüsse, SAT und andere Schüsseln … wie woanders auch. Es werden Plastikplanen und Schläuche benutzt und Isolierfolien, Kupferrohre, Aluminiumummantelungen und natürlich Kabel in den Häusern … und ich vermute, dass auch wir bei unserer Baumaßnahme für ecovillage hannover die 100% Plastik-frei nicht erreichen werden.
Die Größe und Aussehen der Häuser variiert Innen wie Außen.
Es gibt Räume für Gäste, Gemeinschaftsräume und Familienwohnungen und Wohneinheiten für Einzelbewohner. Gemeinschaftswaschräume und einzelne Tiny on Wheels sind bewohnt und einige werden als Zusatzräume für Aktivitäten genutzt: Künstlerraum, Arbeitszimmer oder Bauwagen. Alles andere findet in der Natur statt.
Es gibt Hühner und Alpakas, die einen strengeren Geruch versprühen als gedacht.
Das überschüssige Obst und Gemüse aus eigenem Gärtnern und Anbau wird auf den Märkten in den Dörfern in der Umgebung verkauft.
Themenvertiefende Anfragen über Energie, Toilette und Grauwasser u.a. können sicher gern an die AG Stoffkreisläufe gestellt werden.
Im Großen und Ganzen ist das der Platz, indem ich leben könnte … wäre es bei Hannover und nicht an einem Ort, wo man wieder unbedingt ein Fortbewegungsmittel braucht.